Frank Geipel, August 2003
Motivation
Jeder fortgeschrittene Didgeridoo-Spieler hat sicher schon die Erfahrung gemacht, dass die Klangcharakteristiken (Overblowreihe, Timbre, ...) und die Spielbarkeit (Gegendruck, Anspielbarkeit, ...) wesentlich von der Innenform der Didgeridoos beeinflußt werden. Ich kenne viele Didgeridoo-Spieler, die aufgrund dieser Erfahrung auf der ständigen Suche nach ihren idealen Klang- und Spielbarkeit-Vorstellungen sind. Oft ist diese Suche sehr ernüchternd, da von den auf Didgeridoo-„Märkten“ angebotenen Instrumenten nur wenige die eigenen Vorstellungen voll erfüllen. Oft sind diese Unikate auch sehr teuer.
Dieser Umstand führte bei mir dazu, mich mit dem Bau von Didgeridoos zu beschäftigen. Mir wurde dabei schnell klar, dass eine umfassende Vorbereitung mehr als der halbe Weg zum Ziel sein könnte und viele erfolglose Bau-Experimente ersparen helfen sollte.
Der Weg zum Wunschdidge
1) Baumethoden
Über handwerkliche Techniken beim Didgeridoo-Bau kann man sich in der Szene (soweit zugänglich) umfassend informieren. Da ich mit dem Material Holz arbeiten wollte, standen für mich die
Sandwichmethode ( von Eddy Halat, Stefan Thiel, Jan-Ole Haber, Kay Reimer, u.a. praktiziert) oder die Bohrmethode (von Walter Strasser, Johannes Schildkamp, u.a.
in verschiedenen Variationen praktiziert) zur Wahl. Leider habe ich bis jetzt noch nichts über „dressierte Termiten“ in Mitteleuropa gehört.
So interessant auch die von einigen Baukünstlern praktizierte Bohrmethode ist, entschied ich mich für die einfachere Sandwichmethode, da mit dieser wesentlich komplexere Innenformen praktisch realisierbar sind. Während Recherchen zu diesen Methoden lernte ich neben anderen interessanten Didgeridoo-Bau-Künstlern den Test-A-Doo Experimentator Kay Reimer kennen, dessen akustische Experimente mich sehr beeindruckten. Nach seiner Web-Anleitung baute ich dann auch mein erstes eigenes Holz-Didgeridoo.
Birkenholz Didgeridoo Grundton F# erster Overblow A2
2) Baumaterial Holz
Bezüglich Materialeigenschaften bevorzuge ich Hartholzarten mit hoher Dichte und hohem Elastizitäts-Modul. Diese kommen dem Eukalyptus am nächsten und dämpfen am wenigsten die höheren
Obertöne.
Konkret verwende ich z.B. Robinie, Esche, Hopfenbuche, Hainbuche, Pflaume, Eibe, Esche und Birke.
3) Innenformen
Wie auf geeignete Didgeridoo-Innenformen kommen, die zu den gewünschten Klangcharakteristiken führen?
Jeder Didgeridoo-Bauer hat da so seine Erfahrungen, die natürlich vor allem von kommerziell motivierten Kunsthandwerkern nur selten preisgegeben werden. Als interessierter Wissenschaftler hatte
ich die Vorstellung, am Computer durch Simulationsrechnungen derartige Formen zu finden und mir dabei eine Vielzahl erfolgloser Bauexperimente zu ersparen.
Bei Recherchen zu diesem Thema sind leider nur für einfache zylindrische und exakt konische Rohrformen geeignete mathematische Lösungsansätze zu finden (Tafel 1, 2).
An diesen einfachen, idealisierten Formen war ich weniger interessiert, weil die damit erzeugbaren Klangcharakteristiken sehr beschränkt sind und bei Abweichungen von diesen Bauformen die berechneten Frequenzen nicht mehr stimmen.
Es mußte eine andere Methode her!
Die Methode
Ich forschte nach einer Methode, mit der bei vertretbarem Aufwand, die passiven akustischen Eigenschaften von komplexeren Didgeridoo-Innenformen berechenbar sind.
Mit diesem Ziel im Hinterkopf startete ich Anfang 2003 ein privates Projekt.
Nach umfangreichen Recherchen in der wissenschaftlichen Fachliteratur und nach Diskussionen mit Physikern entschied ich mich für die Methode der Transmission-Line-Modellierung (Causse 1984, Mapes-Riordan 1993), die ich zusätzlich mit meinen eigenen Ideen und Erkenntnissen weiterentwickelte.
Caussé, René. Input impedance of brass musical instruments - Comparison between experiment and numerical models. J. Accoust. Soc. Am. 75, no. 1 (1984):
241:254.
Mapes-Riordan, D. Horn Modeling with Conical and Cylindrical Transmission-Line Elements. J. Audio Eng. Soc 41, no. 6 (1993): 471:482.
Bei der Transmission-Line-Modellierung (Tafel 3) wird ein Didgeridoo mathematisch in eine endliche Anzahl zylindrischer und konischer Teilstücke zerlegt. Für die so modellierten beliebigen Didgeridoo-Innenformen kann dann die akustische Kettenmatrix im Bereich der komplexen Zahlen unter Berücksichtigung von Innenwandrauhigkeiten gelöst werden. Man erhält sogenannte Eingangsimpedanzspektren, aus denen die Frequenzen und der Gegendruck des Grundtones und der Overblowreihe ablesbar sind.
Durch die trickreiche Kopplung dieser Impedanzspektren mit den jeweils mitschwingenden simulierten Obertonspektren beim Spielen des Grundtones oder Overblows erhält man zusätzlich eine Näherung der Klangspektren für den Grundton und den ersten Overblow. Diese simulierten Klangspektren stimmen relativ gut mit den praktisch analysierbaren FFT-Spektrogrammen beim Spielen der jeweiligen Instrumente überein.
Um jederzeit eine Zuordnung zu den musikalischen Tonbezeichnungen herstellen zu können, sind in dieser Tabelle den Tönen die jeweiligen Frequenzen zugeordnet.
Tonfrequenzen in Hz (temperierte Stimmung)
Der grau unterlegte Bereich zeigt die Grundtonfrequenzen bei denen die meisten Didgeridoos schwingen.
Das folgende Beispiel zeigt die Klang-Simulation eines real ausgemessenen Didgeridoos von Walter Strasser und die dazugehörige praktische Analyse des FFT-Spektrogramms mit einem FFT-Analyse-Programm.
Didgeridoo von Walter Strasser: schwarz: Simulation der Overblowreihe;
grau: Simulation des Klangspektrums beim Spielen des Grundtones;
(L=135 cm, dMund=30 mm, dBell=110 mm; Grundton E1, erster Overblow A3+ ) gekennzeichnet durch „singenden“ 3.Oberton bei E3 lauter als der Grundton
E1
Praktische des Analyse des FFT-Spektrums beim Spielen des Grundtones:
Der dargestellte Schallpegel ist eine relative logarithmische Größe, die den Unterschied zwischen Schalldrücken beschreibt. Für die Interpretation dieser Spektren ist aber das subjektive Lautstärkeempfinden von gleichzeitig erklingenden Frequenzen wichtig. Ohne dieses Thema weiter zu vertiefen, kann davon ausgegangen werden, dass vom höchsten Peak (also der lautesten Frequenz) nur noch die Frequenzen den Klangcharakter signifikant beeinflussen, die ca. bis 40 dB unter dem höchsten Peak liegen. Alle leiseren Frequenzen werden durch die lauteren überdeckt. D.h., für jedes FFT-Spektrum existiert ein Schallpegelbereich (grauer Kasten), der signifikant die Klangcharakteristik bestimmt.
Schwingungsmuster für dieses Didgeridoo
Momentane Ergebnisse des Projektes sind verschiedene Prototyp-Software-Tools, mit denen in Abhängigkeit von verschiedenen komplexen Innenformen die Overblowreihe und die Klangspektren des Gruntones und 1.Overblows simulierbar/berechenbar sind.
Durch Anwendung der entwickelten Methode ergeben sich die folgenden Möglichkeiten:
1) Didgeridoos mit komplexen Innenformen können so projektiert werden, dass der Grundton und die spielbare Overblowreihe vorbestimmbar sind.
2) Es können sogenannte „singende“ Didgeridoos konstruiert werden, in denen ein oder zwei gewünschte Obertöne durch erhöhte akustische Impedanzspitzen im Frequenzbereich von z.B. 250-800 Hz
verstärkt werden. In der Szene sind solche Didgeridoos oft eine Rarität.
3) Es sind Didgeridoos modellierbar, die ausgeprägte akustische Impedanzspitzen zwischen den ersten Obertönen haben. Bei diesen Frequenzen werden Mischfrequenzen aus Grundton und Stimme
besonders verstärkt.
4) Von interessanten Didge-Klangcharakteristiken, die auf Tonträgern vorliegen, können FFT-Spektren aufgezeichnet und Innenformen modelliert werden, die den gewünschten
Klangcharakteristiken sehr nahe kommen können.
Dadurch, dass die Innenformen im wesentlichen die passiven Klangcharakteristiken bestimmen, sind auch aus den analysierten Klangspektren prinzipiell diese Innenformen rekonstruierbar.
5) Es sind in relativ kurzer Zeit die Klangcharakteristiken von so vielen verschiedenen Innenformen simulierbar, die mit klassischen Erfahrungen beim Bau einfach nicht praktisch
realisierbar sind. Trotzdem ist natürlich das Know How erfahrener Didgeridoobau-Künstler erforderlich, um die simulierten Innenformen auch praktisch optimal umzusetzen.
Beim Simulieren von Klangspektren vieler Hunderter Didgeridoo-Innenformen am Computer wird klar, dass zum Teil nur durch geringe Änderungen der Innenform sich ein „Universum“ an möglichen Klangspektren erzeugen läßt. Das ultimative Didgeridoo, das alle Wunschvorstellungen zu Klangcharakteristiken möglich macht, ist nicht berechenbar, aber eine schier unüberschaubare Vielfalt von Didgeridoos mit unikaten Klang- und Spieleigenschaften.
Falls jemand weitergehendes Interesse an dieser Thematik hat, empfehle ich den Kauf des Buches „Das Didgeridoo-Phänomen“. Darin sind unter dem Kapitel „Simulation von Klangspektren komplexer Didgeridoo-Innenformen – Computer Aided Didge Design“ der Weg zur Methode, die physikalischen Zusammenhänge und die Möglichkeiten für den Didgeridoo-Bau ausführlich beschrieben.
Auch zum Verständniss der gezeigten animierten Simulationen von Didgeridoo-Klangspektren in Abhängigkeit von der Innenform ist dieses Buch zu empfehlen.
Frank Geipel, August 2003
Motivation
Every advanced didgeridoo player will have found that the sound characteristics (toots, timbre, ...) and the playability (back-pressure, responsiveness…) are essentially influenced by the inside form and the material of the instrument. I know many players who are forever searching for a didgeridoo with their ideal sound and playability because of this. Often it’s a very sobering search because very few of the instruments offered on the didgeridoo “market” fully meet one’s expectations. And many of those one-offs that do are also very expensive.
This situation prompted me to get into building didgeridoos. I soon found that thorough preparation could put me more than half-way to my goal and spare me many failed building experiments.
The way to the own ideal didge
1) Baumethoden
In the didge scene there are opportunities to thoroughly inform yourself about the crafting skills needed to make the instrument. Because I wanted to work with wood, I had the choice between the sandwich method (used by Eddy Halat, Stefan Thiel, Jan-Ole Haber, Kay Reimer, and others) and the drilling method (used by Walter Strasser, Johannes Schildkamp and others in several variations). Unfortunately I’ve yet to hear of “trained termites” in central Europe.
Interesting though the drilling method used by a few craft artists is, I opted for the simpler sandwich method because it allows considerably more complex internal forms to be realized. While I
was researching the methods I got to know some interesting didgeridoo makers, including the Test-A-Doo experimenter, Kay Reimer, whose acoustic experiments impressed me very much. I followed his
web instructions to make my own first wooden didgeridoo.
Birch wood didgeridoo fundamental tone F# first overblow A2
2) Using wood
In regard to material properties, I prefer hardwood varieties of high density and high elasticity (elasticity modules). These are the closest to eucalyptus and only slightly restrict the higher
harmonics.
Specifically, I use e.g. robinia, ash, hop hornbeam, hornbeam, plum, yew and birch.
How do you achieve suitable didgeridoo interior shapes, which provide the desired sound characteristics?
Here each didgeridoo craftsman has made his own experiences, which of course commercially motivated craftsmen will only rarely share. As an interested scientist, I had the idea of finding such interior shapes through computer simulation, hence avoiding a multitude of unsuccessful building experiments.
Unfortunately research on this topic only provides suitable mathematical solutions for simple cylindrical and exactly conical tubing shapes (formula sides 1 and 2).
I was not very interested in these simple, idealized forms, because the sound characteristics that can be generated in this way are very limited and are not correct in the case of deviations from these idealized forms.
I had to find another method!
The method
I searched for a method by which the passive acoustic properties of more complex didgeridoo internal forms are calculable.
That aim in mind, I started a private project in early 2003.
After extensive research in scientific literature and discussions with physicists, I opted for the method of transmission line modelling (Causse 1984, Mapes-Riordan 1993), which I developed further with my own ideas and findings.
Caussé, René. Input impedance of brass musical instruments - Comparison between experiment and numerical models. J. Accoust. Soc. Am. 75, no. 1 (1984):
241:254.
Mapes-Riordan, D. Horn Modeling with Conical and Cylindrical Transmission-Line Elements. J. Audio Eng. Soc 41, no. 6 (1993): 471:482.
With this transmission line modelling, a didgeridoo is mathematically split into a finite number of cylindrical and conical pieces. The acoustic chain matrix in the complex numbers sector can be resolved for thus modelled inner cavities of didgeridoos, taking into account the uneven inside walls. In this way one obtains the so-called input impedance spectra, from which the resonant frequencies of the air column and the back-pressure of the drone (fundamental tone) and toots (series of overblows) can be read.
By tricky coupling the impedance spectra with the respective simulated harmonic spectra when playing the drone or toots, one obtains additionally an approximation of the sound spectra for the drone and the first toot. These simulated sound spectra match relatively well with the practically analysable FFT (Fast Fourier Transformation) spectrograms when the individual instruments are played.
In order to be able to achieve an allocation to the musical notes designations at any time, the respective frequencies are assigned to the tones in this table:
Audio frequencies in Hz
The range marked in grey shows the fundamental tone frequencies in which most didgeridoos resonate.
The following example shows the sound simulation of actual measurements of one of Walter Strasser’s didgeridoos and the accompanying practical analysis of the FFT spectrogram with an FFT analysis program.
Walter Strasser’s didgeridoo:
black: simulation of the toot sequences (drone and overblows);
grey: Simulation of the sound spectrum when the drone is played;
(L=135 cm, dMouth=30 mm, dBell=110 mm; Drone E1, first toot A3+ ) characterized by “singing” fourth harmonic at E3 louder than the drone E1
Practical analysis of the FFT spectrum when playing the drone:
The sound level depicted is a relative logarithmic value expressing the difference between acoustic pressures. However, to interpret these spectra the
subjective perception of volume of the concurrently sounding frequencies is important. Without going further into this topic, it can be assumed that from the highest peak (i.e. the loudest
frequency) only those frequencies still significantly influence the sound character which are up to about 40 dB below the highest peak. All quieter frequencies are overlaid by the louder ones.
That means that for every FFT spectrum there exists a sound level section (gray box), that significantly determines the sound characteristic.
Wave pattern for this didgeridoo
Current outcomes of the project are various prototype software tools by which, in dependence of complex internal forms, the toot sequences (drone and overblows) and the sound spectra of the drone and 1st toot can be simulated/calculated.
Using the method developed opens up the following possibilities:
1) Didgeridoos with complex internal shapes can be projected in such a way that the drone and the playable toot sequences can be predetermined.
2) So-called “singing” didgeridoos can be made in which one or two desired harmonics are amplified by higher acoustic impedance peaks in the range of e.g. 250-800 Hz. In the scene such
didgeridoos are usually rarities.
3) Didgeridoos can be modelled which have pronounced acoustic impedance peaks between the first harmonics. In these frequencie ranges heterodynes from drone and voice are selectively amplified.
4) For interesting didgeridoo sound characteristics that are recorded on sound carriers, FFT spectra can be noted and interior shapes modelled, which can very closely approximate the desired
sound characteristics. Because the interior shapes essentially determine the passive sound characteristics, in principle these interior shapes can also be reconstructed from the analysed sound
spectra.
5) In a relatively short time the sound characteristics of so many different internal forms can be simulated that are practically impossible to realize with classical crafting methods. Despite
that, however, the know-how of experienced didgeridoo craftsmen is needed to practically implement the simulated internal forms optimally.
The simulation of sound spectra of many hundreds of didgeridoo interiors with a computer makes clear that just small changes of the inner form can open up a “universe” of possible sound spectra. The ultimate didgeridoo that realizes all possible wishes about sound characteristics is not calculable. What is possible, though, is an almost endless variety of didgeridoos with unique sound and playing qualities.
For anyone with a deeper interest in this topic, I can recommend the book “The Didgeridoo-Phenomenon”. The chapter “Simulation of sound spectra of complex internal didgeridoo forms – Computer Aided Didge (Sound) Design” describes in detail the methodology, the physical correlations and the possibilities for didgeridoo building.
This book is also recommended for the understanding of the animated simulations of didgeridoo sound spectra shown as a function of the internal shape.